seeschwäche (phalling down)

Hintergrund

„Doch [...] litt auch er bald just unter der Krankheit, deren Heilung er anderen versprach“ (Werner Trapp).

Das Bild mit dem motivisch unmittelbarsten Bezug zum Bodensee sowie zugleich zur eigenen Erlebniswelt kann als schmerzliches Eingeständnis verstanden werden. Nach wie vor gelten Depressionen sowie andere psychische Beeinträchtigungen noch lange nicht salonfähig, Angst vor Stigmatisierung und Etikettierung hindern die Betroffenen oft davor, damit an die Öffentlichkeit zu treten. Der Weg über den Pinsel scheint hier eine überwindbarere Hürde darzustellen.
Das Werk vereint, wie bei vielen der anderen Bilder, einen nicht auf den ersten Blick sofort erkennbaren Kontrast: Die naive, sommerliche und romantifizierte Seeidylle weckt Gefühle der Naturverbundenheit und einer ruhenden Seelenhaltung. Wäre da nicht der „Absturz“. Der dandyhafte Mann im feinen Zwirn ist im Begriff, rücklings (vom Himmel?) in den See zu fallen, der brennende Zeppelin droht, die friedliche Szenerie just in Flammen aufgehen zu lassen.
Es muss augenscheinlich eine Entfremdung der empfindsamen Seele vorliegen, fügt sie sich doch nicht ein in die vorzufindende Seelandschaft. Welche Gründe hierfür vorliegen mögen, bleibt dem Betrachter verborgen und erschliessen sich wohl nur dem Fallenden allein. Der Frackträger suggeriert einen gehobenen Stand; wurde er im Sinne einer narzisstischen Kränkung vom Sockel gestossen? Der zigarrenförmige Zeppelin als phallische Symbolik für Enttäuschung, Depotenzierung und Enthebung der Hybris, als „Quasi-Titanic der Lüfte“? Erlebt der Betroffene lediglich eine „Taufe“ und taucht nur leicht versehrt nach der „Hydrotherapie“ auf, oder versinkt er für immer in den Fluten?
Offenkundig werden zwei Welten dargestellt: Eine Äussere, und eine Innere, welche jedoch in unmittelbarem Zusammenhang zueinander zu stehen scheinen, sich gegebenenfalls gegenseitig bedingen, wenn nicht zudem potenzieren: Um wie viel schmerzlicher erscheint angesichts der harmonischen, „zum Kotzen schönen“ Aussenwelt das Unvermögen, das innere Erleben den Gegebenheiten anzugleichen. Zudem handelt es sich offensichtlich um eine in sich geschlossene Interaktion, spielt sich das Geschehen in der Abgesondertheit und unter Ausschluss anderer Beiwohnender ab, was das subjektive Erleben von Einsamkeit in den Mittelpunkt rückt.
Eingereiht in die seit Mitte des 19. Jahrhunderts blühende „andere“ Landschaft am Bodensee, namentlich der „Heilslandschaft mit Blick auf den See“, geprägt von zahllosen Sanatorien- und „Wasserheilanstalten“ für Nervenkranke, gewinnt das Werk eine nahezu unerträglich pervertierte Konnotation.

  • Künstler Andreas Wacker
  • Jahr 2012
  • Details Oil on Canvas
  • Maße 120x80cm
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