kill your darlings

Hintergrund

Ein Anbetungs- respektive Opfergabeszenario in einer Industriehalle, umrankt von einer Fibonacci-Spirale. Der Angebetete als großkopfiger Arrogantling, der Opferdarbietende als Cro-Magnon mit futuristischer Atemmaske. Die Opfergabe : Ein Schafskopfschädel. Der Tefillin (jüdischer Gebetsriemen) unterstreicht zudem eine Art Mahnung, etwaige Gebote einzuhalten. Offenkundig sehen wir eine zeitdimension-sprengende Szene, die sich vordergründig nicht zu einem einheitlichen Bild zusammenfügen lässt : Vermischt sich doch indigener Kult mit Weltreligion-Verwurzeltem, modernem Industriezeitalter und Sciencefiction-Elementen.
Folgt man der Spirale des Goldenen Schnitts und somit dem Mittelpunkt der Perfektion, scheint der Ausgangs- (oder auch Zielpunkt) des Bildes auf der Opfergabe, dem Schädel zu liegen. Dieser findet hier in neuer Konstellation als Bildzitat (Negativ-Reziprokes Waterboarding / Es gibt keinen Richtigeren Raum im Richtigen, 2015) eine Wiederholung. Die dahinterliegende Symbolik bleibt jedoch die selbe: Im klassischen Sinne eines Vanitas-Stilmoments verkörpert er die elementarste und dabei zugleich vergängliche Keimzelle allen Lebens und das nichtige Bemühen des Daran-Festhalten-Wollens. Sei es an der Illusion der „heilen Familie“, dem Glauben an ewig-überdauernde Beziehungen oder dem Irrglauben daran, dass das letzte Hemd eben doch Taschen hätte. Über die plakative Interpretation einer Gesellschaftskritik der modernen Konsumgesellschaft (der Mensch in seiner ureigensten Form opfert das ihm Wichtigste am Altar der Lustbefriedigung und des schnellen Genusses) hinaus, können hier auch tieferliegende psychologische und ethnologische Betrachtungspunkte gesehen werden.
Der Aspekt des Animismus´ spielt im dargestellten Bild eine zentrale und entscheidende Rolle: Der „Glaube an die Allbeseeltheit“ wird zumeist als primitiv erachtet, belächelt oder pejorativ gegenüber vermeintlich „unterzivilisierte“ Völker verwendet. In der piagetschen Theorie stellt der „Glaube an die Belebtheit unbelebter Dinge“ ein lediglich vorübergehendes Stadium der kognitiven Entwicklung dar. Animismus im psychosomatischen Sinne stellt jedoch auch eine neuzeitlich geprägte Krankheitstheorie unter Berücksichtigung des Leib-Seele-Problems dar, die Krankheit als „Kampf der Seele“ gegen schädliche Einflüsse von aussen betrachtet. Somit könnten Krankheitssymptome auch als Ausdruck von Heilsanstrengungen gesehen werden, womit das Bild eine weitaus tragischere Note erfährt, denn nur mit dem moralinsauren Finger auf Gier und Konsumwahn zu deuten: Lässt sich über physikalisch-chemisches Ansätze (Andrenalin, Lorazepam) ein gegebenenfalls anderweitig verortetes Problem lösen?

  • Künstler Andreas Wacker
  • Jahr 2016
  • Details Oil, Adrenalin and Lorazepam on Canvas
  • Maße 200x150cm
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