Negativ-Reziprokes Waterboarding

es gibt keinen richtigeren raum im richtigen

Hintergrund

Abstandsgebote, reduzierte Körperlichkeit, geschlossene Grenzen und beengtes Eingesperrtsein sind unter Corona neue Qualitäten im täglichen Leben, die nicht zwingend den familiären Zusammenhalt stärken müssen. Häusliche Gewalt, zerrüttete Partnerschaften und misshandelte Kinder könnten bleibende Kollateralschäden der Krise darstellen.

Die wachsende Größe des Formats kann als bezeichnend für die Zunahme der persönlichen Relevanz der Bildinhalte gesehen werden: Dargestellt in der Bildkomposition werden nicht mehr schwerpunktmässig abstrakte, konstruktgeleitete oder „fremde“ psychische Zustände, vielmehr scheinen zunehmend persönliche Erfahrungen eine Rolle zu spielen und in der fiktiven Szenerie aggregiert. Ein Raum („Käfig“) im Raum, ein buntgeschmückter Cowboy und zugleich „Wilder“ darin sitzend, der sich im Spiegel betrachtet, ausserhalb eine Familie, die offensichtlich zerrüttet scheint: Eine Braut, die mit dem Kopf durch die Wand und offenkundig in den Raum einzudringen versucht; daneben ein kniender und gefesselter, gequälter Mann im Trenchcoat; beide überragt durch den übergroßen Sohn, der missmutig sein Spiegelbild-betrachtend die „heile Familie“ komplettiert. Beide Seiten werden durch das altbeliebte Hüpfspiel „Himmel und Hölle“ verbunden, das mittig platziert an der Glaswand prangert. Wasser spielt ebenfalls ein verbindendes Moment: So vereint es - quasi familienintern - Vater und Sohn, indem ein Wasserstrahl, der von des Sohnes aufgesetztem Schafsschädel in des Vaters weit geöffneten Mund strömt, und schafft zugleich eine Verknüpfung der beiden vermeintlich abgekoppelten Szenerien, da aus einem Wasserhahn aus der rechten Hälfte Wasser in das Innere des Käfigs gepumpt wird, wo der Spiegel unaufhaltsam zu steigen scheint. Allerdings nimmt der Abfluss unter der Türschwelle dieser „Pseudo“-Gefahr etwas die Bedrohlichkeit. Auf der linken Seite schiesst ein Handy durch die Wand.

„Jeder erfahrene Psychologe und Therapeut kann ein trauriges Lied davon singen, welche seelischen Verwüstungen der Götze Liebe hinterlässt. Denn die Heilserwartung kann sich nicht erfüllen. Erlösung - das heißt: die Befreiung des Menschen aus den Fesseln der conditio humana - kann es nicht durch einen anderen Menschen geben. Wer sich von der Liebe den Himmel auf Erden verspricht, wird sich (und anderen) das Leben zur Hölle machen. Maßlose, ins Religiöse gesteigerte Erwartungen überfordern alle Beteiligten und führen zu bitteren Enttäuschungen. Dem Höhenflug der Gefühle (wenn man es überhaupt so weit schafft) folgt ein jäher Sturz mit hartem Aufprall. Der anfangs noch angehimmelte Erlöser erweist sich auf Dauer als recht launischer Mensch, der gemeinsame Alltag als Gedulds- und Demutsübung im emotionalen Auf und Ab. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man außer den hinreißenden auch die irritierenden Seiten des Partners kennenlernt. Liebe auf Dauer lässt nichts Menschliches aus. Dann ist Liebe plötzlich mehr eine Aufgabe als ein Gefühl. […] Eine Frage ist noch offen: Ist der Mythos Liebe nicht wenigstens dafür gut, den Menschen aus seinem Egoismus herauszuführen? Ist die Sehnsucht nach Partnerschaft nicht immer noch besser als die Selbstsucht? Die Antwort lautet: Diese Art der Liebe ist nur scheinbar eine Überwindung der eigenen Grenzen. In Wahrheit handelt es sich um eine Fortsetzung der Ich-Bezogenheit mit anderen Mitteln, denn die Triebkraft, die wirkt, ist ja, wenn man ehrlich ist, gar nicht der Wunsch zu lieben, sondern der, geliebt zu werden. Die Vergötterung des Anderen geht Hand in Hand mit der Vergötterung des eigenen Ich, das immerzu gepflegt und in seinem Marktwert erhalten werden muss. Das erfolgreiche Objekt meiner Liebe bestätigt nur meine eigene Großartigkeit; unser zur Schau gestelltes Liebesglück schmeichelt niemandem so sehr wie mir selbst. „Die erotische Liebe ist die trügerischste Form der Liebe“, schrieb Erich Fromm, „diese Art der Liebe ist in Wirklichkeit ein Egoismus zu zweit.“ Die wichtigste Voraussetzung, einen anderen Menschen lieben zu können, meint Fromm, wird so gerade nicht geschaffen: die Überwindung des eigenen Narzissmus.“ „Ersatzreligion Liebe“ (Markus Günther, FAZ)

  • Künstler Andreas Wacker
  • Jahr 2015
  • Details Oil on Canvas
  • Maße 200x100cm
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