bubble trouble

Hintergrund

Lauter hübsche bunte Blasen bedecken das Bild. Genauer genommen das "Drumrum" der Blasen, den die sind ja ausgespart und geben lediglich einen kaleidoskopisch-kreisrunden Einblick auf Teile des Dahinterliegenden. „Bubble Porn“ nennt die Internet-Gemeinde das. Allerdings nur bezogen auf die gebräuchlichste Verwendung dieser Photoshop-Technik, wenn nämlich bei leicht bekleideten (i.d.R.) Frauen via Fotoretusche der noch vorhandene spärliche Stoffanteil überdeckt wird und somit die Assoziation von gänzlicher Nacktheit entsteht.

Ein Beispiel dafür, dass der Blickwinkel entscheidend ist und dass schon das Fehlen eines kleines Mosaikstückes unseren Blick aufs große Ganze trüben kann. Unser Gehirn füllt die fehlenden Informationen des Bildes in der Art und Weise aus, wie es das eben am liebsten hätte. Die bunten Blasen platzen und wilde Phantasieszenen entstehen vor dem inneren Auge. Die Auflösung dann hingegen birgt eine Ernüchterung oder gar dezente Enttäuschung in sich. Erwartungen und Heuristiken haben kurzfristig ihr Dienste getan, verblassen dann wieder im Angesicht der Realität.

Bei Bubble Trouble hingegen sehen wir die quasi inverse Art dieser Realitätsverzerrung und das Bild hat bei Weitem nichts mit erotisch-süffisanter Unterhaltung zu tun. Statt Eros begegnet uns hier Tanatos, statt Lust Schmerz. Das zugrundeliegende und mittels der erläuterten Blasentechnik verdeckte Bild lässt klar die Szene am Krankenbett eines sterbenskranken und sichtlich schon gezeichneten Mannes erkennen. Starre und entsetzte, teils resignierte und um Hoffnung bangende Blicke treffen den Betrachter frontal und in voller Brutalität. Hier wünschte man sich lieber verbergende anstelle der so unverblümt einblickschaffenden Blasen.

Das Gemälde entsteht zu einem Zeitpunkt, an dem der Maler erstmalig bewusst realisiert, dass lange gehegte Phantasien über eine Genesung des Vaters letztlich nichts weiter als platzende Blasen der Hoffnung darstellten. Trotz vielfältiger Hinweise und Vorboten wurde bis dahin das Bild hinter dem Bild nicht klar gesehen, fragmentarische Einblicke und flüchtige Besserungen lediglich immer wieder in Richtung Realitätbeschönigung verzerrt. Der ursprüngliche Arbeitstitel des Bildes lautete nicht umsonst lange "Sie wissen es".

Besagte intrapsychische Mechanismen wie Ausblendung, Nicht-wahrhaben-Wollen oder Selbsttäuschung sollen hier aber zugleich auch eine Würdigung erhalten: Das menschliche Bewältigungsvermögen vermeintlich übersteigende Ereignisse, wie sie uns im Leben unweigerlich begegnen, erscheinen erst dadurch im Zeitverlauf überhaupt annehmbar. Die Herausforderung, einen Elefanten zu verspeisen, führt bei zu hastigem Verschlingen in der Regel zu ausgeprägten Verdauungsschwierigkeiten; sequenzielles Abfrühstücken erscheint hingegen weitaus bekömmlicher.

Die Halskrause der Mutter als Sinnbild der auferzwungenen Elastizität im Hals-Zuschnürungsprozess angesichts des wachsenden Schmerzes, aber auch als gehobenes Kleidungsstück mit sogar pastoraler Konnotation, zeigt ebenfalls diese persönliche Herausforderung, mit Würde, Glaube und Frustrationstoleranz den schmalen Grat zwischen Hoffen und Bangen auszutarieren.

Als brückenschlagendes Bindeglied zur Überwindung der Kluft zwischen dem vorbekannten Genre des Bubble Porn und dem neu ins Leben gerufenen des Bubble Trouble begegnet uns ein fratzenhaftes Wesen, welches zusammengekauert auf dem Krankenbett lauert. Der Nachtmahr als Fabelwesen (angelehnt an das Gemälde „Nachtmahr“ von Johann Heinrich Füssli um 1781) kann seine Gestalt verändern, kann durch Schlüssellöcher schlüpfen und letztlich Menschen anfallen. Er erzeugt dabei Angstzustände und Atemnot, flößt Grauen ein, erzeugt diesen Druck in der Brust, der auch gemeinhin als Alpdruck bekannt ist. Zugleich findet sich in zahlreichen Darstellungen und Beschreibungen aber auch ein erotischer Charakter dieser Gestalt.

Die beiden (abgesehen von etwaigen Aberrationen) per se unvereinbaren Gemütszustände von Lust und Leid fügen sich somit doch zu einem ganzheitlichen Bild, welches das alte Sanskritwort "Samsara" am passendsten zu umschreiben scheint: Als Bezeichnung für den immerwährenden Zyklus des Seins, den Kreislauf von Werden und Vergehen, das ewige Rad von Leid und Glück.

Der Ausbruch aus diesem unheilvollen Kreislauf geschieht auf dem Wege des Loslassens.

  • Künstler Andreas Wacker
  • Jahr 2017/18
  • Details Oil and Tears on Canvas
  • Maße 122x88cm
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